Newsletter 29. Februar 2024 verfasst von Hartwig Thomas
Newsletter online: https://www.publicdomainpool.org/repository/newsletter/24-NL0002Z.html
Laufend kommen neue digitalisierte Tonspuren von Schellackplatten in das Archiv der Schweizerischen Stiftung Public Domain. Diejenigen, die uns irgendwie interessant vorkommen, werden jeweils in unregelmässigen Abständen in einem Newsletter zusammengestellt.
Diesmal öffneten wir eine Schachtel mit vielen Jazz-Aufnahmen aus den Vierziger Jahren. Freunde von Blechbläsern (Saxophon, Posaune, Trompete) werden ausgiebig bedient.
Unsere Website (https://www.publicdomainpool.org/) enthält nähere Erklärungen zum Stand unserer Arbeiten.
ENGLISH SUMMARY
This newsletter documents the progress in establishing an inventory of the archive of shellac records of the Swiss Foundation Public Domain. The records mentioned below can be accessed through the following playlists:
Jazz, 40s, A-D
New Orleans Jazz, 40s, A-D
Henry "Red" Allen
Hoagy Carmichael
Joe "Fingers" Carr
Frankie Carle
Sidney Bechet
Chicago Jazz, 40s, A-D
Johnny Dodds
Tommy & Jimmy Dorsey
Bunny Berigan
Bix Beiderbecke
Count Basie
Eddie Condon
Jazz Bigband & Bebop, 40s, A-D
Winifred Atwell
Ray Anthony
Charlie Barnet
Les Brown
Benny Carter
Donations are sorely needed to pay for the materials and the rent of the storage space.
Jazz aus den Vierziger Jahren
Wir stiessen auf eine reichhaltige Kollektion von Jazz aus den Vierziger Jahren vorwiegend von Interpreten mit Anfangsbuchstaben A bis D.
Diese Phase der Entwicklung des Jazz hat mir immer besonders gut gefallen. Der Jazz wurde sich seiner selbst bewusst und trat selbstbewusst in die Welt. Amerika entdeckte plötzlich, dass es eine eigene Kultur hervorgebracht hatte. Und zwar nicht "von oben" durch eine Elite, die epigonal die Kultur der ehemaligen europäischen Kolonialherren imitierte und weiterentwickelte. Sondern "von unten" gespiesen von vielen aussereuropäischen Kulturen von wenig geachteten Minderheiten.
Ich habe die vielen Jazz-Stile und -Tänze nie gut auseinanderhalten können. Für diesen Newsletter teile ich den Jazz der Vierziger Jahre ein in New Orleans Jazz (Dixieland), Chicago Jazz (Swing) und Internationalen Jazz (Big Band und Bebop). Die tatsächliche Etwicklung war natürlich komplexer. In allen drei Epochen dominierten Blechbläser: Trompete (New Orleans), Posaune (Chicago), Saxophon (International).
New Orleans Jazz
Der New Orleans Jazz entstand in New Orleans und den Südstaaten als "schwarze" Musik. Er wurde dort in Tanzschuppen und auf der Strasse in den Paraden - etwa während dem Mardi Gras - gespielt. In den Vierziger Jahren fangen auch Weisse und Frauen an, solchen von den Schwarzen inspirierten Dixieland Jazz zu spielen.
Ein schönes Beispiel ist Careless Love gesungen von Lena Horne. Letztere war mir bisher nur als Bürgerrechts-Aktivistin aus Tom Lehrer's National Brotherhood Week bekannt, wo sie mit Sheriff Clark "Cheek to Cheek" tanzt.
Damit die allgemeine Playlist des New Orleans Jazz nicht aus den Fugen platzt, haben wir die Aufnahmen ausgewählter Interpreten in eigenen Playlists zusammengefasst:
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Henry "Red" Allen hatte schon als Kind den Übernamen "Red". An seinen roten Haaren lag es wohl nicht.
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Hoagy Carmichael ist nicht nur ein begnadeter Komponist - etwa von Georgia On My Mind - sondern auch ein witziger Sänger wie zum Beispiel in My Resistance Is Low.
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Joe "Fingers" Carr schätzte offenbar Wortspiele. Sein Barky Roll Stomp ist einfach eine Jazz-Version der Barcarole aus Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen".
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Frankie Carle ist oft mit seiner Tochter Marjorie Hughes aufgetreten. Zum Beispiel in Rumors Are Flying
Der Wikipedia-Artikel zu Marjorie Hughes besteht fast nur aus der Anekdote, dass er ihre Bewerbung guthiess ohne zu wissen, dass es sich um seine Tochter handelte.[...]Carle was auditioning new female singers – some in person, and some by means of demo records. Carle's wife sneaked in a demo of their daughter recorded from a radio program, where she was singing with the Paul Martin band in her first singing job. Carle liked the singer he heard on the demo, at first unaware that it was Hughes. When he decided to give his daughter a chance with his band, Carle changed her name to Marjorie Hughes, so that the public would not know she was his daughter, until he could be certain she would make the grade.
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Sidney Bechet gehört in alle drei Kategorien. Er hat zwar mit New Orleans Jazz angefangen, ist aber später nach Frankreich ausgewandert, wo er wunderbare Bebop-Stücke aufnahm.
Chicago Jazz
In Chicago eroberte der Jazz den Rundfunk, die Schallplatte, den Film und die Jazz-Kneipe. Von nun an war er nicht mehr ortsgebunden.
Damit die allgemeine Playlist des Chicago Jazz nicht aus den Fugen platzt, haben wir auch hier die Aufnahmen ausgewählter Interpreten in eigenen Playlists zusammengefasst:
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Johnny Dodds war der ältere Bruder des Schlagzeugers Baby Dodds.
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In der The Fabulous Clipjoint, wie Fredric Brown Chicago in seinem Roman mit diesem Titel nannte, wirkten die Brüder Tommy (Posaune und Trompete) und Jimmy (Saxophon):
Aus "The Fabulous Clipjoint":
"How about those records. If you have any."
She laughed again, and walked across the room. She pulled aside some cretonne and there was a shelf of albums. "Who do you want, Ed? Most of them are here." "Dorsey?"
"Both of them. Which Dorsey?"
"The trombone Dorsey."
She knew I meant Tommy. She took the records from one of the albums and put them in the phono, setting it for automatic.Chicago war nicht nur eine Metropole des Chicago Jazz sondern auch der Mafia. Von den vielen Mafia-Legenden, die sich um Frank Sinatra ranken, singt er in "My Way":
Yes there were times, I'm sure you knew When I bit off more than I could chew But through it all, when there was doubt I ate it up and spit it out I faced it all, and I stood tall And did it my way
Anthony Bruno hält im Artikel Frank Sinatra and the Mob fest, welche dieser Legenden zutreffen. 1939 fing Frank Sinatra an, in Tommy Dorseys Band zu singen, zum Beispiel in dieser Aufnahme von Oh! Look at Me Now.
...Tommy Dorsey, who was admired for the mellow tones of his trombone, saw Sinatra's remarkable drawing power and asked the young man if he'd like to join his band as a featured singer. It was an offer Sinatra couldn't refuse...
Der Preis, sich dieser berühmten Band anzuschliessen, war jedoch für den noch eher unbekannten Sänger hoch:
To join the Dorsey band, Sinatra would have to pay Dorsey one-third of his earnings for life and an additional 10 percent to Dorsey's agent. By the terms of the contract, 43 percent of Frank Sinatra would belong to Tommy Dorsey and his agent forever.
Da Sinatra schnell berühmt wurde, wollte er von Tommy Dorsey aus dem Vertrag entlassen werden.
In 1943, Sinatra's representatives tried to get him out of the contract, offering Dorsey $60,000 to rip it up. Dorsey, who had a reputation for being tough, refused. By some accounts, hard negotiation eventually convinced the bandleader to take the offer, but other accounts say that Sinatra's godfather, Willie Moretti, convinced Dorsey to see the light. Sinatra himself consistently denied that Moretti had anything to do with it, but Moretti bragged in private that he and a few associates paid an unannounced visit to Dorsey in Los Angeles. Moretti allegedly jammed the barrel of a gun into the trombonist's mouth and got him to release Sinatra from his obligations in exchange for one dollar. In 1951 Dorsey talked about the incident to a reporter from American Mercury magazine, describing his meeting with three men who, according to Sinatra biographer J. Randy Taraborrelli, "talked out of the sides of their mouths and ordered him to 'sign or else.'"
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Bunny Berigan wurde mit dem Stück I Can't Get Started in die Grammy Hall of Fame aufgenommen.
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Bix Beiderbecke stammt aus einer ursprünglich aus Mecklenburg in die USA eingewanderten Familie. Sein Instrument ist das Kornett.
Bix ist eine Verballhornung seines zweiten Vornamens Bismarck. (Auch Johann Ballhorn der Jüngere stammte aus Norddeutschland.)
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Count Basie hat auch grossartigen Bigband Jazz-, Blues- und Bebop-Aufnahmen gemacht.
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Eddie Condon brachte den Jazz auch in die Konzertsäle.
Internationaler Jazz (Bigband und Bebop)
Die Präsenz in vielen Medien eröffnete dem Jazz den Zugang zur ganzen Welt von der Westküste (Capitol Records) bis Europa (Paris, Prag). Die Anerkennung in Europa beförderte das Selbstbewusstsein des Jazz. Dieser fing an, sich in U-Jazz (Bigband-Jazz in Tanzsaal und Radio) und E-Jazz (Bebop im Konzertsaal und auf Schallplatte) aufzuspalten.
Damit die allgemeine Playlist des Jazz Big Band & Bebop nicht aus den Fugen platzt, haben wir auch hier die Aufnahmen ausgewählter Interpreten in eigenen Playlists zusammengefasst:
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Winifred Atwell stammt aus Trinidad & Tobago und spielt alle erdenklichen Tänze. Ihr Cross Hands Boogie ist atemberaubend.
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Seine Autumn Leaves haben in der deutschen Pressung den Untertitel "Der Schleier fiel". 1950 kam die Melodie mit diesem Titel als deutscher Schlager heraus. 1960 erschien sogar ein Film gleichen Titels mit diesem Titelschlager. Neben vielen Anderen hat auch Hildegard Knef den deutschen Text gesungen.
Spenden werden dringend benötigt
Die Schweizerische Stiftung Public Domain ist dringend auf Spenden angewiesen, um die Büro- und Lagermiete und das Archivmaterial (Plattenhüllen, Archivschachteln) zu bezahlen. Sämtliche Arbeit am Archiv wird ehrenamtlich geleistet. Bitte unterstützt diese Arbeit!
CD als Dank
Wer 100 Franken spendet, erhält auf Wunsch eine CD mit rund 20 selbstgewählten 20 Titeln.
Mitgliedschaft Förderverein
Wer wünscht, dass es das Schellackplatten-Archiv auch in zwei Jahren noch gibt, wird gebeten, dem Förderverein beizutreten.
- Mitglieder (100 CHF/Jahr),
- Gönner (250 CHF/Jahr) und
- Institutionen als Mitglieder (2000 CHF/Jahr)
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