Newsletter 24. März 2023
Newsletter online: https://www.publicdomainpool.org/repository/newsletter/23-NL0002Z.html
Laufend kommen neue digitalisierte Tonspuren von Schellackplatten in unser Archiv. Diejenigen, die uns irgendwie interessant vorkommen, werden jeweils in unregelmässigen Abständen in einem Newsletter zusammengestellt.
Unsere Website (https://www.publicdomainpool.org/) enthält nähere Erklärungen zum Stand unserer Arbeiten.
ENGLISH SUMMARY
This newsletter documents the progress in establishing an inventory of the archive of shellac records of the Swiss Foundation Public Domain (https://www.publicdomainpool.org/) The records mentioned below can be accessed through the following playlists and albums:
Music by Richard Wagner
Choir Music
Classical Music
Operetta
German Schlager
Entertainment
Yodel
Franz Schubert Sinfonie Nr. 8 in H-moll (Unvollendete) conducted by Karl Böhm
César Franck Symphonic Variations, for Pianoforte and Orchestra played by Walter Gieseking, conducted by Henry J. Wood
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Märzrevolution, Schurz und Wagner
In den letzten Wochen sind viele Artikel zur deutschen Märzrevolution 1848 erschienen. Einer, der sein revolutionäres Gedankengut in den USA weiterlebte, wird dabei nirgends erwähnt: Carl Schurz. Nach der abenteuerlichen Befreiung von Gottfried Kinkel, seinem Freund und Vorbild, aus dem Zuchthaus Spandau, flüchtete er in die Vereinigten Staaten. Dort kämpfte er politisch für die Abschaffung der Sklaverei und wurde zum Freund Abraham Lincolns, an dessen Wahlkampagnen er beteiligt war. Nach dem Ende des Bürgerkriegs schickte ihn Lincoln in die Südstaaten, worüber er einen Bericht verfasste, in welchem er eine Art Marschall-Plan für diese Region befürwortete, damit das Land wieder zusammenwachsen könne. Er wurde der erste Deutsche im amerikanischen Senat und versuchte - erfolglos - eine dritte, vermittelnde Partei zwischen den Demokraten und Republikanern zu gründen. Als Minister für indianische Angelegenheiten, kommt er im monumentalen Film "Cheyenne Autumn" von John Ford ganz am Ende vor, wo er eine völlige Auslöschung der am Ende ihres langen Marsches angelangten Indianer verhindert. In seinen sehr lesenswerten Memoiren, die heute leider weder im Handel noch auf gutenberg.org verfügbar sind, schreibt er fast zehn Seiten lang, über die Wirkung, welche Richard Wagners Musik auf ihn und seine Zeitgenossen machte. Er begegnet dieser Musik erstmals auf einer Europareise in Paris, bei einer Bekannten, die ihn in eine Aufführung der Tannhäuser-Ouvertüre mitnimmt, und hofft, dass er nicht auch dieser schrecklichen Musik verfällt.
I had never heard a note of Wagner's music. I had seen some of his writings, the tone of which had not favorably impressed me. My personal contact with Wagner in Zürich, of which I have spoken before, had not been at all sympathetic; on the contrary, I shared the judgement about Wagner prevalent among the refugees there, that he was an excessively presumptuous, haughty, dogmatic, repellent person, from whom it was best to keep away.
[...]
At last came the overture to "Tannhäuser". Frau Kinkel [...] became uneasy. "Now keep yourself well in hand". she said, looking at me with an expression betraying some anxiety as to the outcome. The opening "Pilgrim's Chorus" as it rose from the orchestra, pleased me much, without, however, impressing me as something overpowering. But when the violins set in with that weird and constantly growing tumult of passion, drowning the pious notes of the "Pilgrim's Chorus" under the wild outcries of an uncanny frenzy, then sinking into whining moans of exhaustion, I could hardly restrain myself. I felt as if I should jump up and shout. Frau Kinkel observed my emotion, put her hand on my own as if to hold me down to my seat, and whispered: "Oh, oh, I see how it takes you, too. But do you not hear that it is all wrong?" I could not answer, but continued to listen with rapture. I did not hear that it was all wrong; and if I had noticed anything that was wrong under the accepted rules of thorough-bass, I should not have cared. I was fairly overwhelmed by those surging and rolling billows of harmony, by the breakers of passion rushing and tumbling over the rocks, those plaintive voices of sadness or despair, those tender accents of love or delight floating above and through the accompaniment which lifted the melody in a poetical cloud. When the last notes of the "Tannhäuser" overture had died away, I sat still, unable to say anything articulate. I felt only that an entirely new musical world had opened and revealed itself to me, the charms of which I could not possibly resist. My good friend Frau Kinkel noticed well what had happened to me. She looked at me sadly and said with a sigh, "I see, I see! You are now a captive too. And so it goes. What will become of our art?"
Diese Eloge kulminiert nach weiteren drei Seiten in einer Aufführung von Parsifal 1889, die ihn und Hunderte von Zuschauern - darunter den grossen französischen Komiker Coquelin - zu Tränen rührte. Sie endet mit einem Ausblick auf die Musik des 20. Jahrhunderts, in dem kein neuer Komponist an Wagner vorbeikommen werde.
Für diesen Newsletter haben wir einige neu digitalisierte Tonspuren - unser Dank dafür gebührt wieder Urs Marti - von Richard Wagner zusammengestellt. (Wen alle Wagner-Stücke im Archiv interessieren, suche nach "Wagner".) So kann die oben beschriebene Faszination eventuell nachvollzogen werden. Wagner ist heute vor allem als bombastisch und laut bekannt. Diese Aufnahmen aus dem frühen 20. Jahrhundert bestätigen dieses Vorurteil nicht. Im 19. Jahrhundert dürften die Aufführungen noch filigraner gewesen sein.
Chorgesang
In dieser Playlist haben wir sehr alte Musik (Palästrina und Ingegnieri) und neuere als "Volkschor" und "Arbeiter-Sängerbund" bezeichnete Formationen zusammengestellt. Der Chorgesang ist eher eine Aufführungsform "von unten", die darum besonders in der Kirche, in der Schweiz und von der linken "Gegenkultur" gepflegt wurde.
Klassische Musik
Urs Marti hat viele dieser Tonspuren digitalisiert. Diesmal ist viel Klaviermusik dabei. Gespielt zum Beispiel von Arthur Rubinstein, der uns hier ein bekanntes Gutenachtlied präsentiert.
Operette
Hier kommt gleich am Anfang einer dieser Nach-Wagner-Komponisten zum Zug: Richard Strauss mit seinem Rosenkavalier.
Schlager
An die Regentropfen erinnere ich mich noch dunkel - meine Oma war eine Bewunderin der Comedian Harmonists. Sie scheinen mir als Kind gefallen zu haben, wenn der Text auch wie meistens bei deutschen Schlagern eher bescheiden ist.
Unterhaltung
Die Kompositionen dieses Padilla haben einen gewissen Schmiss, der offenbar auch Charlie Chaplin beeindruckt hat.
Jodel
Es ist ja nun wieder die Zeit für Alpaufzüge ...
Alben
Franz Schubert Sinfonie Nr. 8 in H-moll (Unvollendete) dirigiert von Karl Böhm
César Franck Symphonic Variations, for Pianoforte and Orchestra gespielt von Walter Gieseking, dirigiert von Henry J. Wood
Angela und Werner Bauer
Angela und Werner Bauer haben der Stiftung 43 Schellackplatten geschenkt. Wir danken herzlich dafür! Einige der hier vorgestellten Aufnahmen stammen aus ihrem Fundus.
Neues Webradio
Unter http://publicdomainradio.org/ sind nun drei Kanäle unseres Webradio mit Tonspuren aus unserem Archiv verfügbar. Diese kann man im Browser abspielen (Play-Button) oder z.B. als Netzwerk-Stream im VLC (Link zu http://relay.publicdomainradio.org/ auf der Kanal-Seite).
Der neue Kanal "Swiss Schlager" wurde von Samuel Zünd zusammengestellt. Die beiden anderen wurden vor längerer Zeit von Carl Flisch gestaltet. Ein solcher Webradio-Kanal besteht aus einer grossen Playlist, deren Stücke in zufälliger Reihenfolge abgespielt werden. Wer selber die Playlist für einen solche Radio-Kanal - z.B.: Ländler, Marschmusik, Operette, ... - zusammenstellen möchte, kann Suchresultate als XSPF-Dateien herunterladen und im VLC kombinieren und editieren. Einen überzeugenden Vorschlag schalten wir gerne als weiteren Kanal auf.
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